Der Aufstieg zum Popstar
1980 bekam Drahdiwaberl von Markus Spiegel, dem Chef des Wiener Kleinlabels GIG Records, das Angebot, die LP „Psychoterror“ zu produzieren. Spiegel bezeichnete sie später einmal ironisch als „mein genialstes Werk“. Von wesentlich größerer Bedeutung für Markus Spiegel war aber sicherlich die Begegnung mit Falco. Markus Spiegel: „Als ich Falco bei einem Drahdiwaberl-Konzert in den Wiener Sophiensälen erstmals mit seiner Nummer ,Ganz Wien‘ sah, war mir klar, daß ich ihn als Solokünstler unter Vertrag nehmen wollte. Falco hat auf mich einen ungeheuer charismatischen Eindruck hinterlassen.“
Markus Spiegel schloß mit Falco einen Vertrag als Solokünstler über drei LPs ab und brachte ihn mit dem Musikproduzenten und Soundmixer Robert Ponger zusammen. Ponger hatte im Sommer 1981 ein Lied für Reinhold Bilgeri, einen anderen bei Spiegel unter Vertrag stehenden Künstler, geschrieben, das diesem aber nicht gefiel, und so spielte er Falco das Playback, zu dem es noch keinen Text gab, vor. Dieser war hellauf begeistert davon und spürte, das ist es. Er nahm das Band mit nach Hause und hatte in ein paar Tagen den Text dazu geschrieben: „Drah di net um, der Kommissar geht um …“
Im Herbst 1981 kam die Single „Der Kommissar“ auf den Markt, auf der Rückseite befand sich „Helden von Heute“, ein Song, zu dem Falco Text und Musik geschrieben hatte. Im November 1981 ist Falco mit seinem „Kommissar“ Nummer 1 in Österreich, zwei Monate später katapultiert ihn der heimische Aufstieg vom Kellermusiker zum Star auch in Deutschland an die erste Stelle der Hitparade. Die Plattenverkäufe explodieren: Nummer 1 in fast ganz Europa, in Kanada wird die Single vergoldet, in der deutschsprachigen Fassung erreicht der Hit immerhin Platz 72 der amerikanischen Billboard-Charts, in der englischsprachigen Coverversion von After The Fire Platz 3. Durch den New Yorker Star-DJ Afrika Bambaataa, der wesentliche Starthilfe für Falco in den USA leistete, wird „Der Kommissar“ in amerikanischen Clubs zum Szene-Hit. Sogar in Guatemala führt der Song die Hitparade an. – Der Hit ist allenthalben auf der Welt zu hören.
Weltweit wurden über 7 Millionen Einheiten des „Kommissars“ abgesetzt, von dem Falco später sagen wird, daß er sich nie gedacht habe, daß „Der Kommissar“ international Erfolg haben könnte. Er habe aber nie Respekt vor dem amerikanischen Markt gehabt. „Es war an sich nur ein Fahren auf dem Zeitgeist-Expreß, auf den ich nicht aufgesprungen bin, sondern den ich zu einem gerüttelt Maß selbst mit produziert habe.“ Und Falco erregt tatsächlich großes Aufsehen in der Popszene. Es sind nicht nur seine genialen Texte, eine Mischung aus Hochdeutsch, Wienerisch und Englisch, es ist nicht nur seine von ihm entwickelte Kunstsprache, sondern es ist vor allem auch seine eigene Art zu singen, womit er der erste weiße Rapper wird. Später bezeichnete er sich im engsten Freundeskreis gerne als „Godfather des weißen Rap“.
Auch das von Robert Ponger produzierte Album „Einzelhaft“, das 1982 auf den Markt kam, wurde ein Riesenerfolg. Falco gelang es mit Nummern wie „Helden von Heute“, „Auf der Flucht“ und „Hinter uns die Sintflut“, das Lebensgefühl jener Tage präzise auszuformulieren, und war damit seiner Zeit weit voraus. Ein Jahr vor seinem Tod sagte Falco in einem Interview für den „Wiener“: „,Einzelhaft‘ kam aus dem Bauch und ist gefahren wie die Hölle. Es war mein bestes Album.“ Falco tingelte 1982 mit seinem „Kommissar“ allein um die ganze Welt, klapperte Sendestationen in Kanada und den Vereinigten Staaten ab, absolvierte hauptsächlich Playback-Auftritte in überfüllten Diskotheken und Clubs, spielte aber auch kleinere Konzerte (Krone Gala) und ein Open Air in Kärnten. Sein Drahdiwaberl-Kollege und späterer Bandleader Thomas Rabitsch erinnert sich: „Er wurde ein Jahr lang rund um die Welt geschickt, ist von einem Hotelzimmer zum anderen, von einer Sendestation zur anderen gereist und als komplett anderer Mensch zurückgekommen.“
Anfang der achtziger Jahre sah sich Falco nach einem Manager um, den er in dem Deutschen Horst Bork fand. Durch den großen Erfolg seines Albums änderte sich das Leben Hans Hölzels grundlegend. Sein Bekanntheitsgrad wuchs über Nacht rasant an, und weil seine Adresse im Telefonbuch stand, wurde das Haus in der Ziegelofengasse zur Pilgerstätte vor allem seiner weiblichen Fans. Regelmäßig stand eine Gruppe von Fans vor seiner Eingangstüre, die noch dazu mit Milchglasscheiben versehen war, durch die man, wenn Licht in der Wohnung brannte, hindurchsehen konnte. Das veranlaßte Falco, seine Mutter zu bitten, ihm eine andere Wohnung zu suchen. Sie kam dieser Bitte gerne nach und fand in der Wiener Schottenfeldgasse im 7. Wiener Gemeindebezirk eine schöne 150 m2 große Altbauwohnung für ihren Sohn, für die er sofort Feuer und Flamme war. Er paßte sie seinen Bedürfnissen entsprechend an und achtete beim Einrichten darauf – weil er unter der Enge seiner Wohnung in der Ziegelofengasse sehr gelitten hatte -, daß die Räume ihre Großzügigkeit nicht durch zuviel Möblierung verlieren. Im hinteren Teil des Salons ließ er sich ein schalldichtes Musikzimmer installieren.
Wie so oft im Leben von Hans Hölzel folgte nach großen Erfolgen eine schwere Krise, die er immer öfter mit Alkohol zu bewältigen suchte. Falco: „Die Alkoholprobleme haben mit dem Erfolg, mit der Kohle begonnen. Wenn der Erfolg schneller wächst, als die Seele mitwachsen kann, hat man Probleme. Glauben Sie mir das!“ Die Angst, mit dem nächsten Album beim Publikum nicht mehr jene Anerkennung zu finden, die er sich erhoffte, wurde immer größer. Aufgrund der Arroganz, mit der er den Journalisten gegenübertrat – sie war für ihn ein Schutzmantel, den er sich in Zeiten, in denen es ihm schlecht ging, reflexartig überwarf -, wurde ihm von vielen Seiten zu verstehen gegeben, daß es sich bei seiner erfolgreichen ersten Platte durchaus auch um eine Eintagsfliege handeln könnte. Es lastete also ein großer Leistungsdruck auf Falco, der ihm ein von Zwängen freies Arbeiten verwehrte. Er tüftelte sehr lange an den einzelnen Nummern, wollte sie überperfekt machen und schob den Erscheinungstermin der LP immer wieder hinaus. Und Falcos Befürchtungen bewahrheiteten sich: Das 1984 veröffentlichte Album „Junge Römer“, ebenfalls von Robert Ponger produziert, blieb weit hinter den Erwartungen zurück.
So manchen Kritiker riß dieses Album, dessen Nummern in ihrem künstlerischen Gehalt sicherlich am kompromißlosesten waren, zu wahren Jubelhymnen hin, jedoch dürfte Falco viele seiner Fans mit der Hochwertigkeit und Präzision von Texten und Musik anscheinend überfordert haben. Eine Zeitung schrieb vom „bestmißverstandenen Album des Jahres“. In Österreich wurden immerhin rund 50.000 Stück verkauft, international tat sich „Junge Römer“ allerdings sehr schwer. Der künstlerische Stellenwert dieses Albums mit seinen geschmeidigen Dance-Beats sollte erst später erkannt werden. – Heute ist es längst ein Kultalbum.
Für das Fernsehen drehte Falco gemeinsam mit den Videoproduzenten Rudi Dolezal und Hannes Rossacher das Falco-Special „Helden von Heute“. Es handelt sich dabei um eine künstlerisch erstklassige Verfilmung des gesamten Albums „Junge Römer“ – gedreht wurde in Deutschland und den USA – und ist das erste Longform-Video der deutschen Popmusik. Falco wollte gegen den schleppenden Verkauf des Albums „Junge Römer“ ankämpfen und nahm einen neuen Mix von „Kann es Liebe sein“ im Duett mit der bildhübschen Désirée Nosbusch, bekannt aus Film und Fernsehen, auf. Dieser Single Remix mit deren Produktion Falco nie zufrieden war, verkaufte sich nicht einmal so schlecht, jedoch konnte durch sie auch keine Trendumkehr herbeigeführt werden.
Falco, der sich zur „Kommissar“-Zeit noch lässig mit Lederjacke und Turnschuhen gab, perfektionierte anläßlich seines zweiten Albums sein optisches Erscheinungsbild, wodurch er zur gefragten Medienerscheinung wurde. Er ließ sich unzählige Designer-Anzüge, Dutzende Paar Maßschuhe anfertigen und zeigte sich stolz im Frack auf dem Wiener Opernball, was bei vielen zu Irritationen führte und seine Gegner noch mehr gegen ihn aufbrachte. Auch Sprache, Gestik und Körpersprache verpaßte er ein neues Styling. Es handelte sich damals nicht bloß um eine Imagepolitur, Falco lotete aus, wie weit er gehen konnte. Er selbst verstand sich immer als Parodie auf das Establishment, was von vielen Menschen mißverstanden wurde. Sie meinten, er habe den Bogen überspannt. Zur damaligen Zeit jedenfalls war der klassische Falco voll entwickelt, nun gab und zeigte er sich so, wie ihn seine Fans haben wollten: arrogant, provokant und unnahbar.
Dem übersensiblen Hans Hölzel machten die überwiegend negativen Kritiken und niedrigen Plattenverkaufszahlen schwer zu schaffen, in ihm machte sich die Angst breit, daß er all das bisher mühsam Aufgebaute wieder verlieren könnte, und es wurde ihm klar, daß das nächste Album alles entscheiden wird. Er sagte die geplante Tournee ab, zog sich immer mehr zurück und betäubte seine schweren Depressionen mit Alkohol und Drogen. Zur Jahreswende 1984/85 flog er mit einigen Freunden nach Thailand, um von der ganzen Sache etwas Abstand zu gewinnen. Der einmonatige Aufenthalt in Asien war für Falco sehr wichtig, er brachte ihm wieder die innere Ruhe und Ausgeglichenheit, die er für die Arbeit an seiner neuen LP brauchte.