Falco wird Weltstar
Die bildhafte Umsetzung des Popsongs „Rock me Amadeus“ besorgten die Videoproduzenten Rudi Dolezal und Hannes Rossacher, mit denen Falco während seiner ganzen Karriere eng zusammenarbeitete. Gemeinsam mit ihnen entwickelte Falco eine ihm eigene Bildsprache, wodurch er der erste europäische Popmusiker wurde, der die Zeichen der internationalen Videoclipkultur für sich zu nutzen wußte und sie weltweit mit prägte. Falco spielt in diesem Videoclip eine Doppelrolle: Einmal verkörpert er den Wolfgang Amadeus Mozart des 20. Jahrhunderts, dann wieder befindet er sich als Falco im Smoking in der Rokokozeit, ist also immer im „falschen“ Jahrhundert. Als „Mozarts“ Leibwächter agieren im Video, das im Wiener Palais Schwarzenberg gedreht wurde, wildbärtige Motorrad-Rocker (die „outsider“) – 13 Jahre später werden sie ihm die letzte Ehre erweisen und seinen Sarg tragen. Im Sommer 1985 wurde Falco von der Popgruppe Opus eingeladen, an einem Open air im Grazer Stadion Liebenau mitzuwirken. Am Vorabend des Konzertes ging er nach den Proben mit Opus mit ein paar Freunden in ein Grazer Café, wo er seine spätere Frau Isabella Vitkovic kennenlernte. Er war sofort Hals über Kopf in sie verliebt. Sie entsprach genau seinem Idealtypus von Frau, wie er immer wieder ironisch meinte: groß, blond und tuberkulös. Isabella stammt aus bürgerlichen Verhältnissen und war damals noch mit einem um 19 Jahre älteren Mann verheiratet, wußte aber, daß sie in dieser Beziehung nicht mehr weiterleben konnte. Hans bat sie, zu ihm nach Wien zu ziehen, und sie kam diesem Wunsch gerne nach. Ein paar Wochen später behauptete Isabella, sie wäre in der ersten Nacht mit Hans, die sie im Grazer Schloßberghotel miteinander verbrachten, schwanger geworden.
„Für Sie“ schrieb am 19. November 1985: „Die ehemalige ,Miß Styria‘ war in Falco schon via Bildschirm so vernarrt, daß sie ihn unbedingt kennenlernen wollte. Die Chance bot sich, als er im Juli im Grazer Schloßberghotel weilte: Mit einem Trick luchste Isabella dem Portier Hansis Zimmerschlüssel ab und erwartete ihn in seiner Suite. … Jetzt wird er Vater.“ Die beiden entschlossen sich dazu, das Kind zu bekommen. Für Falco bedeutete der Umstand, Vater zu werden, einen Wendepunkt in seinem Leben, er hoffte, daß ihm das Kind in seinem wilden Leben eine Stütze sein werde, denn insgeheim suchte er Geborgenheit und Halt.
Die großen Erfolge gaben Falco genügend Rückenwind, um im Herbst 1985 erstmals groß auf Tournee zu gehen. Auf dem Konzertplan standen Auftritte in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Ein wahrer Triumphzug für Falco wurde das restlos ausverkaufte Konzert in der Wiener Stadthalle am 31. Oktober 1985. Mehr als 11.000 Menschen jubelten Falco, der während des Konzerts fast ein dutzendmal seine Bühnenkleidung wechselte, vor Begeisterung zu. Höhepunkt der Konzerte war immer die allerletzte Zugabe, sein größter Hit: „Rock me Amadeus“, bei der Falco in roter, mit goldenen Biesen besetzter Phantasieuniform-Jacke, schwarzer Hose und Tennisschuhen auf die Bühne kam.
Seine erste Tournee wurde ein Riesenerfolg und gab Falco die Sicherheit, in Zukunft auch in größeren Hallen bestehen zu können, denn man war vorsichtig und suchte sich – abgesehen von der Wiener Stadthalle – Konzerthallen mittlerer Größe aus. Nach „Vienna Calling“, einem Song, mit dem Falco europaweite Erfolge erzielen konnte, folgte „Jeanny“ als dritte Singleauskoppelung des Albums „Falco 3“. Dieser Song und das dazugehörige Video sorgten für einen handfesten Skandal. Der deutsche Nachrichtenmoderator Dieter Kronzucker, dessen beide Töchter einige Jahre zuvor in Italien entführt worden waren, machte mit einem sechsminütigen Beitrag in der Nachrichtensendung „heute journal“ „Jeanny“ zum Skandallied und rief zum Rundfunkboykott auf. Falco, für den „Jeanny“ ein Liebeslied war, wurde unterstellt, er würde in diesem Lied Gewalt, sexuellen Mißbrauch und sogar Lustmord verherrlichen.
Mehrere deutsche Sendeanstalten entschlossen sich daraufhin zu einem Boykott des umstrittenen Liedes samt Video und setzten es auf die schwarze Liste. Der große Medienrummel ließ die Plattenverkäufe natürlich erst recht in die Höhe schnellen, und „Jeanny“ wurde im gesamten deutschsprachigen Raum zum Spitzenreiter der Hitparaden. Falco, der zu dieser Zeit gerade Urlaub auf den Jungferninseln machte, sagte nach seiner Rückkehr: „Ich hör‘ immer ,Mord‘, ich weiß nicht, was das soll. Ich wollte keine Frauenmördernummer machen, sondern eine mörderische Nummer.“ – Und für seine Fans war sie das auch, sie konnten und wollten die Zensur von seiten der Rundfunkanstalten überhaupt nicht verstehen, ja protestierten heftigst dagegen und kauften während dieser Zeit an die 50.000 „Jeanny“-Singles täglich.
Falco hatte sich in den letzten fünf Jahren einen Stellenwert in der Popgeschichte erarbeitet, von dem österreichische Popmusiker vorher nicht einmal zu träumen wagten – und bis heute nur träumen können. Es schien, als hätte er den Zenit seines Erfolges erreicht, aber dann, im März des Jahres 1986, geschah das für einen österreichischen Musiker bislang Unfaßbare, das, mit dem niemand – und am wenigsten Falco – gerechnet hatte in für Amerika schnellen nur 7 Wochen schiesst „Rock me Amadeus“ an die Spitze der amerikanischen Billboard-Charts, des Heiligen Grals der Popmusik, und hält sich drei Wochen lang vor Prince mit „Kiss“ als uneinnehmbare Nummer 1 an der Spitze. Falco ist mit seinen 29 Jahren der erste deutschsprachige Popmusiker, der die US-Single-Charts anführt, und erreicht damit das höchste Ziel, das man als Popmusiker erreichen kann, das, wovon alle träumen: weltweit die Nummer 1 zu sein.Falco befand sich gerade in illustrer Runde in einem Wiener Innenstadtlokal, als ihn die Nachricht erreichte, daß „Rock me Amadeus“ die Nummer 1 in den USA sei. Alle freuten sich, waren in ausgelassener Stimmung, nur Hans wurde immer ruhiger und nachdenklicher.
Als ihn die anderen ermunterten, er solle sich doch freuen, schließlich sei er die Nummer 1, antwortete er mit Tränen in den Augen: „Nein, ich kann mich darüber nicht freuen, weil ich das nie mehr schaffen werde!“ Einige Jahre später sagte er: „Ich war gar nicht gut drauf, als ich hörte, ich bin Nummer 1 in Amerika, weil ich wußte, was das für eine Belastung ist. Ich habe fast fünf Jahre gebraucht, um diese wieder einigermaßen loszuwerden.“ Von diesem Druck, der seit dieser Zeit auf ihm lastete, konnte er sich nie mehr gänzlich befreien – er behinderte ihn zusehends bei seiner Arbeit.
Es war aber nicht nur die Single „Rock me Amadeus“ in den USA erfolgreich, auch das Album „Falco 3“, das fast ausschließlich deutschsprachige Songs enthält, hielt sich wochenlang in den amerikanischen Top ten und konnte sich bis auf Platz 3 vorarbeiten. Das „Amadeus“-Video lief auf MTV in „heavy rotation“. Falcos amerikanische Plattenfirma scheute keine Kosten und Mühen für die Vermarktung des Albums. Werbung für Falco gab es überall: im Fernsehen, im Radio, im Kino, in den Zeitungen und auf Plakaten. Es wurde sogar eine eigene Falco-Hotline eingerichtet, wo sich Fans mit ihren Fragen hinwenden konnten: „For a good time call Falco: 1-800-841-1223“, stand auf überdimensionalen Plakaten zu lesen.
Falco hingegen hielt seine eigenen PR-Auftritte in den USA in Grenzen. Er wollte vorerst gar nicht zwecks Promotion in die USA reisen, denn er war der Ansicht: „Wenn die Leute die Platte kaufen wollen, dann kaufen sie sie sowieso, ob ich hinüberkomme oder nicht!“ Erst nach langem Drängen seiner Plattenfirma flog Falco für zehn Tage im Mai nach Amerika, um in New York und Los Angeles die Runde bei Journalisten zu machen. Er gab unzählige Zeitungsinterviews, nahm an Talkshows teil und trat in verschiedenen Fernsehsendungen auf. „Was ich primär im Auge hatte, war, nicht für die aktuellen Lieder zu werben, sondern mich als Person zu vermarkten“, meinte Falco nach seiner Rückkehr aus den USA.
Der kometenhafte Aufstieg des Falken in den USA fand nur deshalb ein jähes Ende, weil er es vorzog, in seiner Heimat zu bleiben. Falco: „Ich hätte oftmals Gelegenheit gehabt, nach Amerika zu gehen. Ich habe es nicht getan, weil das Schönste an der amerikanischen Fahne die rotweißroten Streifen sind.“ Der internationale Erfolg beschränkte sich natürlich nicht nur auf die USA, „Rock me Amadeus“ erreichte weltweit Spitzenplazierungen in den Charts von Südamerika bis Japan, wurde auch Nummer 1 in Großbritannien, was Hans fast noch mehr bedeutete als die Nummer 1 in den USA. Immerhin gilt Großbritannien als das Mutterland des Pop.